Chancen bei der Traumabewältigung mit The Work
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Inhaltsverzeichnis
- Chance 1 bei der Traumabewältigung mit The Work: Öffnung für entlastende Perspektiven auf traumatische Erfahrungen
- Chance 2 bei der Traumabewältigung mit The Work: Es handelt sich um eine leicht erlernbare Selbst(Coaching)-Methode
- Chance 3 bei der Traumabewältigung mit The Work: Stressreduktion im Alltag durch The Work (IBSR)
- Seien Sie achtsam mit sich, wenn Sie bemerken, dass eine Work Sie überfordert
In diesem Artikel setze ich meine Auseinandersetzung in puncto der Traumabewältigung mit The Work of Byron Katie fort. Im ersten Teil habe ich potenzielle Risiken erläutert, die The Work für Traumatisierte haben kann. Deshalb fokussiere ich mich in diesem Beitrag auf die Chancen, die The Work bietet, um sich von den negativen Folgen eines Traumas zu lösen.
Auch wenn es sich bei The Work um keine therapeutische Methode handelt, kann sie traumatisierten Personen dabei helfen, achtsamer für jene Verhaltensmuster zu werden, die etwa auf einem Entwicklungstrauma beruhen. So kann The Work Menschen dabei unterstützen, Wege zu finden, um ihr Trauma zu überwinden.

Chance 1 bei der Traumabewältigung mit The Work: Öffnung für entlastende Perspektiven auf traumatische Erfahrungen
The Work of Byron Katie eröffnet traumatisierten Menschen neue Wege, ihre belastenden Gedankenmuster zu hinterfragen und zu verändern. Oftmals wurzeln diese Gedanken in traumatischen Erlebnissen, die uns in einem Gefängnis negativer Überzeugungen gefangen halten. Stellen Sie sich vor, ein Freund hätte in seiner Kindheit sexuellen, emotionalen Missbrauch sowie Gewalt erlitten. Zudem wurde er von seiner Ex-Freundin betrogen. Mittlerweile lebt er mit einer treuen Partnerin zusammen, ist jedoch extrem misstrauisch. Dieser Freund ruft Sie an, weil er mal wieder seiner Partnerin misstraut. Und dann fällt folgender Satz: »Wegen allem, was ich erlebt habe, kann ich einfach keinem Menschen mehr trauen.« Dieser Gedanke klingt nach einer unüberwindbaren Mauer. The Work lädt uns ein, aus dieser Wand einen Ziegelstein herauszunehmen, um uns auch mittels traumatherapeutischer Verfahren von unserem Trauma zu befreien.
Als Worker/-in bin ich sensibel geworden für jene Schwellen, die wir scheinbar nie wieder oder nicht mehr übertreten können. Dies gilt auch für Filme. Kennen Sie zum Beispiel die düstere Romanze »der Tränenmacher«? Hier sind es die Teenager Rigel und Nica, die lange Jahre im Waisenhaus »Grave« emotionalen Missbrauch und Gewalt erfahren haben. Beide Jugendliche werden schließlich von einem liebevoll handelnden Ehepaar adoptiert. Dennoch scheint kein Happy End in Sicht, da sie in ihrer Kindheit gelernt haben, weder dem Leben noch sich selbst zu vertrauen.
So glaubt der Teenager Rigel, ein abgrundtief böses Monster zu sein. Da er den anderen Kindern im Waisenhaus nicht helfen konnte, ist er davon überzeugt, anderen nichts als Unglück zu bringen. Zur Adoptiv-Schwester Nica sagt er: »Ich bin der böse Wolf […] Ich bin nicht Teil Deines perfekten Märchens. Belüg Dich ruhig weiter und glaube an Märchen. Aber wir sind kaputt und gebrochen. […] Einige Dinge kann man nicht reparieren. […]«

Chance 2 bei der Traumabewältigung mit The Work: Es handelt sich um eine leicht erlernbare Selbst(Coaching)-Methode
Eines der größten Vorteile von The Work ist ihre Einfachheit. Wie in meinem Grundlagenartikel zu The Work erläutert, besteht diese Selbsthilfe-Methode im Wesentlichen aus vier Fragen und meist drei Umkehrungen. Bei regelmäßiger Praxis fällt es der workenden Person sicherlich leicht, ihre negative Selbstsicht zum Positiven zu verändern.
Nehmen wir das Beispiel von Rigel. Sein Gedanke »Ich bin der böse Wolf« ist ein typischer Beispiel für einen selbstzerstörerischen Glaubenssatz. Durch die Umkehrung dieses Gedankens in »Ich bin ein guter Wolf« und die Suche nach Belegen für diese Aussage, kann Rigel beginnen, seine negative Selbstwahrnehmung zu korrigieren. Hier die vier Gründe, die sich Rigel für seine Umkehrung »Ich bin der gute Wolf« ins Gedächtnis rufen könnte:
- Im Waisenhaus hat er der ans Bett gefesselten Nica nachts die Hand gehalten.
- Er hat sich im Waisenhaus selbst verletzt, um die Aufmerksamkeit der Waisenhausleitung, die Nica bestrafen will, auf sich zu lenken.
- Er liebt Nica und sorgt dafür, dass Nica die Kette ihrer Mutter, die ihr viel bedeutet, zurückbekommt.
- Er verhindert, dass Nica von einem anderen Schüler vergewaltigt wird.
Allein durch die Umkehrung »Ich bin der gute Wolf« könnte Rigel seine traumatisch bedingte Selbstsicht hinter sich lassen. Auf diese Weise kann The Work bei der Traumbewältigung helfen.
The Work hilft auch bei alltäglichen Problemen weiter
The Work kann für Traumatisierte ein gutes Mittel sein, um im Alltag belastende Gedanken mit dieser Methode hinterfragen. Dies gilt für Stress-Gedanken wie »Dieses Protokoll muss perfekt sein«, »Ich muss heute Abend noch die Wäsche waschen« oder »Sie hatte es schon immer im Leben leichter als ich«.
Mit The Work können wir uns bewusstmachen, welche Gefühle und Verhaltensweisen diese Gedanken auslösen. Denn: Selbst im Alltag ist es möglich, kurz innezuhalten und kurz zu überprüfen, ob nicht auch die gegenteilige Aussage genauso wahr sein könnte. So können wir mit The Work nicht nur hinsichtlich eines Traumas unsere Perspektive verändern und mehr Gelassenheit gewinnen.
Chance 3 bei der Traumabewältigung mit The Work: Stressreduktion im Alltag durch The Work (IBSR)
Auf seiner Website verweist der Verband for The Work auf aktuelle Forschungsergebnisse zu The Work. Byron Katies Coaching-Tool wird hier in Anlehnung an die MBSR (achtsamkeitsbasierte Stressreduktion) IBSR (Inquiry-based Stress Reduction) genannt. So führt ein Link zum Forscherteam um Joshua N Hook. Dieses berichtete im Februar 2021 von 17 empirischen Studien zur IBSR. In der Zusammenfassung heißt es:
»Mehrere Studien berichteten von positiven Veränderungen bei Variablen wie Stress, Angst und Wohlbefinden. […] es gibt einige vielversprechende erste Erkenntnisse zu IBSR. Es sind jedoch weitere Untersuchungen mit hochwertigen Forschungsdesigns erforderlich, um die Wirksamkeit und Effektivität von IBSR In verschiedenen Kontexten zu untersuchen.«
Wiley Online Library, https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/jclp.23120, abgerufen am 8.11. 2024
Zwei Beispiele für den stressreduzierenden Effekt von The Work im Alltag
Unabhängig von diesen Studienergebnissen erlebe ich The Work als wertvolle Methode zur Stressreduktion. Testen wir dies an dem eben genannten Gedanken »Dieses Protokoll muss perfekt sein«. Dieser Gedanke erzeugt in uns Druck und Angst. Durch The Work können wir diesen Gedanken hinterfragen und erkennen, dass die Forderung nach Perfektion oft unrealistisch ist. Die Umkehrung könnte lauten: »Es ist okay, wenn das Protokoll nicht perfekt ist.« Auf diese Art und Weise kann The Work die Fesseln meiner negativen Überzeugungen lockern.
In vielen Works zeigte sich immer wieder der Besserwisser in mir, der felsenfest von der eigenen Wahrheit überzeugt war. Nehmen wir beispielsweise den Gedanken »Sie hatte es schon immer leichter als ich«. Anstatt mich in diesem Gedanken zu verlieren, kann ich achtsam die körperlichen Empfindungen wahrnehmen, die dieser Gedanke in mir auslöst. Ich spüre dann vielleicht eine Spannung in den Schultern oder ein Engegefühl in der Brust. All diese Empfindungen gilt es anzunehmen, ohne sie zu werten. Ich kann sie mit Achtsamkeit beobachten.
The Work mit Alltagsgedanken kann traumatisierte Menschen darin schulen, achtsam zu sein. Sie lernen, ihre belastenden Gedanken nicht in jedem Fall als »wahr« zu betrachten. Somit ist das Worken von Alltagsgedanken ohne traumatischen Hintergrund eine Art Trockenschwimm-Übung, um irgendwann in einem traumasensiblen Setting die negativen Folgen eines Traumas zu bewältigen.

Seien Sie achtsam mit sich, wenn Sie bemerken, dass eine Work Sie überfordert
Merke: Dabei ist es bei jeder Work wichtig, sich selbst gegenüber achtsam zu sein. Wenn Sie spüren, dass die Betrachtung eines Gedanken Sie emotional überfordert, sollten Sie die Übung abbrechen. Versuchen Sie, sich im Raum zu orientieren, und konzentrieren Sie sich auf Ihren Atem. Atmen Sie langsam mit Betonung auf den Ausatem. Hier empfiehlt sich beispielsweise die 4-7-8-Atmung.
- Atmen Sie langsam durch die Nase ein und zählen Sie dabei bis vier.
- Halten Sie den Atem an und zählen Sie still bis sieben.
- Atmen Sie langsam durch den Mund aus und zählen Sie dabei bis acht.
- Wiederholen Sie diesen Zyklus mehrmals.