Illustration: KI als elektronischer Coach für Byron Katies Work im Selbstversuch von Barbara Nobis
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Byron Katies Work mit KI: Selbstcoaching, Chancen und Grenzen

Barbara Nobis spricht in ihr Handy – Selbstversuch mit Byron Katies Work und KI als Coaching-Begleitung
Mein Selbstversuch: Byron Katies Work mit KI – Gedanken erforschen im Dialog mit dem Handy. Foto: privat

Eine beispielhafte Work – begleitet mit Künstlicher Intelligenz (KI)

Byron Katies Work mit KI möchte ich in diesem Artikel anhand einer Situation erläutern: Kürzlich sah ich aus dem Augenwinkel am Ende einer Gymnastikstunde, wie eine Frau mich anschaute. Ich grüßte sie nicht. Stattdessen eilte ich mit einem Druckgefühl im Bauch zur Tür hinaus. Und sofort tauchte der Gedanke auf: »Sie ist überheblich.« Bereits zuvor hatte ich belastende Gedanken wie diesen mittels einer Sprachmemo-App untersucht.

Worken mit KI: Erste Erkenntnisse aus meinem Selbstversuch

Als Coach for The Work bin ich methodensicher. Deshalb war es mir leichtgefallen, mir selbst die vier Fragen von The Work zu stellen und sie anschließend zu beantworten. Gleiches gilt für die Umkehrungen. Seit Juni 2025 nutze ich testweise für Byron Katies Work eine KI, die ich vorab instruiert habe: Die KI kennt die vier Fragen, die potenziellen Unterfragen von The Work sowie die Regeln, wie sie aus einem Gedanken mögliche Umkehrungen bildet. Zudem habe ich die KI angewiesen, jeweils auf meine Antwort zu warten, bevor sie die nächste Frage stellt.

Was ist The Work?

The Work von Byron Katie ist ein strukturierter Prozess, mit dem sich belastende Gedanken hinterfragen lassen. Die Methode, auch bekannt unter dem Namen »Inquiry-based stress reduction (IBSR)«, besteht aus vier Fragen und meist drei Umkehrungen. Eine detaillierte Anleitung zum Ablauf von The Work geben meine beiden Grundlagen-Artikel.

Voraussetzungen für The Work mit KI

Voraussetzung 1: Methodensicherheit mit Byron Katies Work

Damit sind wir bei einer der wichtigsten Voraussetzungen, um mit KI als Begleitung zu arbeiten: Du solltest mit dem Prozedere von Byron Katies Work wirklich vertraut sein. Im Fokus steht nicht ein klassisches Coaching, sondern die Fähigkeit zum selbstgesteuerten Erkenntnisprozess, gestützt durch die Methode von The Work.

Voraussetzung 2: Datensicherheit

Datensicherheit ist ebenfalls eine wichtige Voraussetzung für The Work mit KI. Wie in allen Coaching-Prozessen geht es bei der Work-Begleitung durch eine KI oft um sehr persönliche Inhalte. Deshalb ist die Sicherheit deiner Daten essenziell. Viele kostenlose KI-Modelle (zum Beispiel Gemini) verarbeiten Daten oft zu Trainingszwecken. Daher ist es ratsam, sich vorab zu informieren. Für mich gilt: Erst bezahlen, dann starten. Bezahl-Modelle sind oft datenschutzfreundlicher, garantieren aber ebenfalls keine absolute Sicherheit. Wichtig ist es, eine sichere Plattform zu wählen. Nutze zudem nur KI-Anwendungen, die Daten verschlüsseln (SSL) und einen DSGVO-konformen Datenschutz gewährleisten. Sinnvoll ist auch, beim Work-Coaching mit KI nur den Vornamen oder ein Pseudonym zu nutzen. Und dennoch: Absolute Anonymität im Internet gibt es nicht.

Symbolbild Datensicherheit beim Coaching mit KI und The Work.
Wer KI fürs Coaching nutzen möchte, sollte auf Datenschutz und sichere Plattformen achten. Foto: depositphotos.com

Voraussetzung 3: Selbstverantwortung & psychische Stabilität

Wenn du KI als Work-Begleitung verwendest, solltest du selbst Klarheit und Struktur halten können. Strukturiert denkende Menschen profitieren deshalb besonders von den Vorteilen des KI-Coachings. Wichtig ist auch eine stabile psychische Verfassung: KI ersetzt keine therapeutische Begleitung oder ein einfühlsames Gegenüber. Eine KI-Begleitung kann keine echte Empathie bieten. Stellt sie dir beispielsweise eine emotional überfordernde Frage, sieht die KI deine überwältigenden Emotionen nicht. Ein menschlicher Coach würde hingegen deine Überforderung (hoffentlich) registrieren und auffangen.

Der selbstverantwortliche Umgang mit der KI als Work-Coach ist aus weiteren Gründen wesentlich: Wenn du dein Leben generell eher spontan lebst und dich treiben lässt, wirst du dich möglicherweise nicht dazu aufraffen können, das KI-Tool regelmäßig zur Untersuchung deiner Gedanken einzusetzen. Und: Die KI kann nur dann wirklich hilfreich reagieren, wenn sie vorab sorgfältig instruiert wurde – auch hier ist ein bisschen Vorarbeit nötig.

Die wichtigsten Vorteile, die für das Worken mit KI sprechen

Vorteil 1: Strukturierter Prozess und dialogisches Gegenüber

Zurück zur eingangs erwähnten Satz »Sie ist überheblich«. Die KI simuliert kein echtes Bewusstsein. Jedoch gelang es ihr bei unserer beispielhaften Work, mir die Illusion eines Gegenübers zu vermitteln, das mich beinahe nahtlos durch die Untersuchung des Gedankens »Sie ist überheblich« führte. Die gestellten Fragen zu alten Bildern oder Körpergefühlen ließen mich mühelos in den Work-Prozess eintauchen. Ich konnte Muster von Trotz und Abwehr entdecken und wurde darin bestärkt, auch bei belastenden Gedanken offen zu bleiben.

Vorteil 2: Ständige Verfügbarkeit & Bequemlichkeit

Die ständige Verfügbarkeit ist ein echter Pluspunkt für das Selbstcoaching mit The Work und KI. Im Gegensatz zum klassischen Arbeitsblatt von Byron Katie kannst du der KI deine Situation mündlich oder schriftlich schildern und kommst direkt in den Dialog. Sonderbonus für Techies: Die wichtigsten Erkenntnisse lassen sich von der KI am Ende als PDF dokumentieren. Somit sind heilsame Gedanken und Einsichten immer wieder nachlesbar.

Vorteil 3: Ego-Freiheit der KI als Work-Begleitung

Wenn du ein KI-Coaching für eine Work einsetzt, wählst du eine Begleitung ohne persönliche Geschichte und ohne Vorlieben oder Abneigungen. Das ist ein solides Pro-Argument für die KI als Instrument zum Worken. Denn: Als Workende habe ich es bereits erlebt, dass es einer Person davor graute, meine spirituellen Themen zu begleiten. Außerdem nimmt es eine KI nicht persönlich, wenn du ihren Stil kritisierst, eine Work abbrichst oder kurzfristig vom klassischen »Work-Weg« abweichst. Ein menschlicher Work-Coach würde versuchen, dich schnellstens zur Work zurückzuholen. Dagegen hört eine KI stoisch zu und webt die scheinbar workfremden Gedanken in ihre Überlegungen mit ein. Das hat mir einige Male zu tiefen Erkenntnissen verholfen! Kurzum: Die Reaktion der KI als Work-Begleitung ist immer gelassen und offen – was ein wichtiger Vorteil beim Worken ist.

Die wichtigsten Nachteile des Workens mit KI

Ein Mensch als Begleitung in einer Sitzung mit Byron Katies Work erkennt emotionale Überforderung und ist nicht durch KI zu ersetzen.
Eine KI kann im Gegensatz zu einem Coach oder Therapeuten nur simulieren. Echte menschliche Begleitung bleibt deshalb unersetzlich. Foto: depositphotos.com

Nachteil 1: Gefahr der Selbsttäuschung & Oberflächlichkeit

Ein KI-Modell wird dich nicht automatisch zu deinem stressvollen Kerngedanken zurückführen, wenn du dazu selbst nicht fähig bist. Solltest du nicht aus eigenem Antrieb heraus in die Tiefe gehen wollen, bleibt der Work-Prozess wahrscheinlich an der Oberfläche. Die KI bewertet nicht die Dauer deiner Work. Ebenso wenig besteht sie darauf, dass du dich auf den stressvollen Gedanken konzentrierst. Daher hängt ein tiefgründiges Worken mit KI komplett von deiner Disziplin und Ehrlichkeit ab.

Nachteil 2: Routine-Falle & stereotype Antworten

Meine Erfahrung: Einige KI-Modelle tendieren dazu, stereotype Fragen und Umkehrungen zu liefern. Zum Teil wichen sie auch ungeplant von Byron Katies vorgegebener Fragestruktur ab. So kehrte eine KI den Gedanken »Sie ist überheblich« um zu: »Ich bin NICHT überheblich.« Für erfahrene Worker/-innen ist das kein Problem. Anfänger/-innen können solche Freiheiten jedoch verwirren.

Nachteil 3: Keine echte Empathie & Gefahr der Isolation

KI kann nicht echte menschliche Empathie ersetzen. Ein Mensch spürt Körpersprache, emotionale Dynamik und kann bei Überforderung stützend eingreifen – etwa mit Atemübungen oder gezielter Erdung. Die KI simuliert dagegen Emotionen – und mitunter macht sie das ziemlich überzeugend. Das könnte dazu führen, dass ein Mensch beginnt, die KI als coachenden Freund zu betrachten und sie menschlichen Kontakten vorzuziehen. Ähnlich wie die sozialen Medien könnte KI auf diese Weise die Isolation der workenden Person verstärken.

Meine aktuelle Sicht auf KI als Begleitung für The Work

Insgesamt halte ich KI als Coaching-Mittel für Byron Katies Work für eine nützliche Erweiterung. Sie ist jedoch kein Ersatz für die menschliche Begleitung durch einen ausgebildeten Coach for The Work.

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